Das Gefühl, ein falsches Leben zu leben.

Kennst du das Gefühl, im falschen Leben zu stecken?
So, als wäre das alles hier nie für dich bestimmt gewesen.
Als stündest du auf dieser Welt, in deinem einzigen Leben, und kannst dennoch die unsichtbare Wand spüren, die dich von deinem richtigen Leben trennt.
Wie ein falscher Schuh, den du dir angezogen hast.
Du weißt, dass es da ist, denn manchmal spricht es zu dir.
Manchmal kannst du es sogar fühlen, ganz nah.
Nur greifen kannst du es nie richtig.
Doch du weißt ganz genau, ihr gehört zusammen.
Seid füreinander bestimmt.
Wieso sonst sollte dich ein anderes Leben rufen?

Ich höre es zu mir sprechen. Laut.
Komm her, ich bin das wahre Leben.
Dein richtiges Leben.
Ich bin all das, worauf du immer gewartet hast.
Da ist es also. das Leben, was ich mir immer erträumt habe.
Dabei stecke ich in einem ganz anderen Universum fest.
Und weiß nicht, wie ich zur anderen Seite kommen soll.
Kann man alles fallen lassen für etwas,
was man selbst nicht sehen kann – ja nicht einmal verstehen?
Wie erklärt man sich im Umfeld, im Job, in der Familie?
„Das war’s hier für mich– mein richtiges Leben ruft.“
Woher weiß ich, welches mein richtiges Leben ist?
Und wo entsorge ich überhaupt ein altes Leben?
Darf ich eine Sache einfach so hinter mir lassen,
ohne zurückzublicken, ins Ungewisse springen?

Wird mich mein altes Leben nicht irgendwann wieder einholen,
vor Wut verzerrt und fest entschlossen,
mich zu bestrafen, weil ich es zurückgelassen habe?
Was, wenn das Leben, was da aus dem Nichts ruft,
bald auch nur ein ganz gewöhnliches Leben ist,
ein alltägliches Leben mit Morgenkaffee bei grauem Himmel?

Was, wenn das Leben, was da ruft, gar nicht dazu gemacht ist, vollkommen für immer gelebt zu werden?
Wenn es automatisch zu meinem alten wird?

Was, wenn das Leben, was da ruft, bald auch nur ein ganz gewöhnliches Leben ist?

Vielleicht ist es wie das Glitzern von Edelsteinen: verlockend und anziehend, aber auch das vergeht, wenn sie nicht regelmäßig poliert und geschliffen werden.
Verfliegt denn nicht die Magie aller Neuanfänge mit der Gewohnheit?
Beginnen wir uns nicht immer zu langweilen, sobald etwas zu vertraut ist?
Vielleicht liegt die Magie genau darin, nicht das Leben zu haben,
von dem wir träumen.
Sondern die Magie liegt im Träumen selbst.
Darin, das jetzige Leben aufzupolieren.
Momente zu schaffen, die aus unserem Traumleben stammen.
Alles sind Momente.

Doch das reicht nicht. Momente sind nicht genug.
Immer ist da dieses Gefühl, gefangen zu sein.
Im Käfig der Entscheidungen,
die wir vor einiger Zeit getroffen haben –
manche unüberlegt, manche zu überlegt.
Der Käfig ist zwar schön, vertraut.
Doch gerade das macht es so schwer, auszubrechen.
Bei aller Vertrautheit, Passion gibt es hier nicht.
Die ganz großen Momente rufen aus einem Parallel-Universum.
Nur hört sie niemand sonst, außer mir.
Es liegt ganz allein in meiner Hand, dem Ruf zu folgen.

Sag, könntest du die Gitterstäbe auseinanderziehen,
um etwas Größeres zu begrüßen?
Alles hinter dir lassen für etwas gänzlich Unbekanntes?

Während ich zitternd meine Finger um die kalte Eisenstangen lege,
flüstert mir eine andere, teuflische Stimme, von ganz nah zu:
Wozu so viel auf der Strecke lassen?
Wozu die Aufregung, all die Anstrengung?
Was möchtest du wirklich opfern?
Am Ende kommen alle wieder zurück.
Wozu den Umweg gehen?

Und dann tue ich es – ich durchbreche die Eisenstangen, bringe die Stimme zum Schweigen.
Ich lasse mein altes Leben hinter mir, und trage es doch mit mir.
Weil wir nie alles hinter uns lassen können, was je Teil von uns war.

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Hier mehr über Mut zum Aufbruch in ein neues Leben.
Hier gibts Erinnerungen an ein altes Leben,
und hier über den Versuch, einen kleinen Ausflug ins neue Leben zu wagen.

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