Auf den Tag genau, vor sechs Monaten, habe ich auf „Veröffentlichen“ geklickt.
Das WLAN am Flughafen war instabil und mein Handy lag funktionslos neben mir, schwarzer Bildschirm. Es hatte in den letzten Wochen immer mal wieder für kurze Zeit den Geist aufgegeben, aber dieses Mal kam es nicht wieder zu mir zurück. Die Sonne schien durch die Fensterfronten, die den Blick auf das Rollfeld und den beeindruckenden Hintergrund von grünen Bergen freigaben, fast so, als wollte mich alles daran erinnern, was ich hier gewonnen hatte – und was ich zurückließ.
Den Cappuccino mit Sojamilch, der erste nach vier Wochen schwarzen Kaffees und Espresso, hatte ich aus Platzmangel auf dem Boden zwischen meinen Füßen abgestellt. Die Armlehnen meines Sitzes waren klebrig und es roch nach etwas, dass mich an Popcorn erinnerte. Neben mir stritt eine Familie lautstark mit ihren Kindern.
Was, wenn es nur eine Sache gibt, die alles andere verschwimmen lässt?
Aber all das war mir völlig egal, weil ich nur eine einzige Sache im Kopf hatte: bevor ich griechischen Boden verließ, würde dieser Blog online gehen. Ich weiß nicht genau, wieso ich so versessen darauf war, das ganze noch auf meinen letzten Metern in Griechenland zu tun, vielleicht hatte ich Angst, dass diese sanfte Wolke der Romantik, Ruhe und Leichtigkeit verschwinden würde, sobald ich wieder in Deutschland ankam. Das WLAN wechselte ständig zwischen On- und Off, mein Kaffee wurde kalt und ich tippte wie eine Verrückte auf meinen Laptop ein. Alles um mich herum blendete sich aus, und hätte ich nicht das Glück gehabt, dass das Leben mir – wie so oft hier – in die Hände spielte, indem mein Flug sich um zwei Stunden verspätete, hätte ich ihn verpasst. Ich schaffte es gerade noch zum Boarding, in freudiger Aufregung und mit schwerem Herzen zugleich: Mein Blog war endlich online, aber meine Zeit in Griechenland war zu Ende.
Wir alle haben Träume. Meist sind das Träume, die von Außen unbedeutend aussehen, die aus Sicht der anderen für unser Leben keinen wirklichen Unterschied machen.
Ich erinnere mich gut daran, wie mich in den vier Wochen in Griechenland, die eigentlich zum Schreiben meines Romans reserviert waren, meine innere Stimme dazu drängte, den Blog endlich zu bearbeiten.
Zwei Jahre lang hatte ich geplant, die Website eigenhändig neu aufzubauen, es aber nie getan. Keine richtige Inspiration für neue Texte und keine Motivation, um die technischen Aspekte in Angriff zu nehmen.
Das war in Griechenland anders, fast mühelos.
Meine ersten beiden Beiträge entstanden morgens bei Espresso in der Hotellobby, mit wahnsinnigen Ausblick auf die Felsen im Meer. Um die technischen Details kümmerte ich mich abends, wenn das noch heiße Metall der Balkonstühle mir die Beine verbrannte, mit einer warm gewordenen Plastikflasche Wasser neben mir und dem Meeresrauschen in der Ferne. Ich habe ohne Hilfe alles allein gemacht – und für mich war das eine große Herausforderung.
Nur weil andere die Bedeutung nicht sehen können, sind unsere Träume nicht nebensächlich
Wir alle haben Träume. Meist sind das Träume, die von Außen unbedeutend aussehen, die aus Sicht der anderen für unser Leben keinen wirklichen Unterschied machen.
Ob du jetzt nach Griechenland fährst oder bis zum nächsten Sommerurlaub wartest, ist das nicht egal?
Am Ende ist es doch nur eine Website, wozu das ganze Drama? Wen interessiert’s, ob die nun online ist oder nicht?
Manchmal reden wir uns sogar selbst ein, es würde keinen Unterschied machen, ob wir den einen kleinen Traum verwirklichen oder nicht.
Glauben, dass andere Dinge, die eine größere Relevanz haben, auch mehr Bedeutung haben.
Bis wir uns erinnern, dass es nicht um die Größe oder Bedeutung geht, die etwas für die Außenwelt hat. Sondern darum, es für uns zu tun.
Weil es für uns die Welt bedeutet.
Andere mögen uns dafür belächeln, aber oft verbinden wir die nebensächlichsten Dinge mit den ganz großen Gefühlen. So habe ich auch diesen Blog mit all dem verbunden: Dem Vorgeschmack darauf, wie es ist, wenn sich alles erfüllt. Die Kraft, die entsteht, wenn wir sehen, dass wir fähig sind, unser Leben eigenhändig aufzubauen, außerhalb dessen, was als „normal“ gilt. Der Stolz, der Selbstwert, schwere Dinge zu tun, weil ein größeres Ziel dahinter steht.
Dieser Blog erinnert mich daran, wie es sich anfühlt, wenn für eine Weile einfach mal alles „richtig“ ist.
Für mich schwebt er noch in dieser rosafarbenen Wolke, die mich in meiner Zeit in Griechenland so eingehüllt hat.
Ich schmecke den Geschmack von Salz auf den Lippen und tauche ein in die Schönheit, die in der Begegnung mit Fremden liegt, mit denen wir uns Geschichten von Trauer und Liebe erzählen. Ein Ausflug auf den Zenit.
Ich schmecke dann wieder den Geschmack von Salz auf den Lippen und tauche ein in die Schönheit der Begegnungen mit Fremden, mit denen wir uns Geschichten über Trauer und Liebe und das Leben erzählen.
Alle Puzzleteile, nach denen ich so viele Jahre gesucht habe, fügten sich zusammen.
Ein bisschen so wie in den Geschichten, wenn die Hauptfigur endlich vom Schicksal zu ihrer Bestimmung geführt wird, nachdem sie eine kleine Entscheidung getroffen hat.
Sogar der Winter war, zurück zu Hause, mit dieser Erfahrung im Herzen nicht mehr so grau wie in den Jahren davor.
Ein Ausflug auf den Zenit, in allen Lebensbereichen.
Und dann wieder zurück.
All das ist zerfallen, meine Seifenblase geplatzt.
Bedeutung darf sich anpassen und verloren gehen, damit wir sie wiederfinden
Vor kurzem hat mich meine Mutter gefragt, wieso ich hier nur noch selten Beiträge schreibe. Es ist so viel dazwischengekommen, wollte ich sagen, aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Der eigentlich Grund ist, dass es mir schwerfällt, mich dieser Seite mit den ganzen Erinnerungen an das, was gescheitert ist, zu widmen.
‚Ohnehin, von richtiger Bedeutung sind diese Beiträge für niemanden außer mir, oder?‘, habe ich hintergeschoben.
Das ist traurig, sagte meine Mutter. Weil sie hier gerne liest. Und weil es bestimmt auch noch andere Personen gibt, die still, aber gern mitlesen.
Erst wollte ich abwinken. Das hier ist bedeutungslos.
Dann fielen mir die Nachrichten ein, die ich völlig unerwartet seit meinem ersten Beitrag von Fremden Leserinnen und alten Bekannten bekommen habe:
„Deine Texte erinnern mich daran, wie gern ich lese. Danke.“
„Deine Worte berühren mich total.“
„Beim Lesen kamen total viele Erinnerungen an meine Kindheit hoch – danke.“
„Du hast mich mit deiner Griechenland Geschichte an meine eigenen Träume erinnert..und daran, dass ich sie wieder ernst nehmen muss.“
Meinen Blog lesen aktuell nicht viele Leute, aber die, die ihn lesen, wollen lesen.
Das bedeutet doch was, oder? Wenn wir Menschen mit noch so kleinen Worten, für noch so kleine Momente im Alltag berühren?
Und dann habe ich es so richtig verstanden:
Selbst dann, wenn es für niemanden sonst von Bedeutung wäre –
für mich ist es das nun einmal.
Reicht das nicht?
Wie soll mein Schreiben jemals für andere an Wert gewinnen, wenn ich es selbst nicht ernst nehme?
Wie soll ein anderer Mensch je Wahrheit in meinen Worten finden,
wenn ich meine Verletzlichkeit nicht zeige?
Was soll’s, wenn andere uns zu dramatisch, zu intensiv und zu was-auch-immer finden, solange es für uns von Bedeutung ist?
Daran erinnert zu werden, was wir an Menschen, Jobs, Vorstellungen und Träumen loslassen mussten, tut immer weh.
Es ist zu einfach, zu glauben, dass wir etwas aufgeben sollten, dass etwas keine Relevanz hat, wenn Dinge anders verlaufen als gewünscht.
Aber breche ich mir auf Dauer nicht noch mehr das Herz, wenn ich das, was für mich Bedeutung hat, jetzt einfach liegen lasse?
Wie ein Kunstwerk, das mitten im Prozess aufgegeben wurde und seither nur noch ein Dasein inmitten von Spinnweben und Staub fristet.
Was soll’s, wenn andere uns zu dramatisch, zu intensiv und zu was-auch-immer finden. Lieber bin ich zu dramatisch, als mein Leben nicht zu erleben.
Lieber schreibe ich Texte, die kaum jemand liest, die von Freunden belächelt werden,
als meine Träume unter Spinnweben verrotten zu lassen.
Eben weil das Schreiben für mich mein Erleben ist. Eben weil mein Schreiben mir, unabhängig meiner Umstände, immer beigestanden hat. Sich dynamisch anpasst und mit mir verändert. Mir dabei hilft, die schönen Zeiten zu verarbeiten, genau wie die nicht so schönen. Mein Schreiben trägt mich.
Manchmal liegt die größte Romantik in den unromantischsten Momenten
Vielleicht ist es jetzt einfach mal an der Zeit, dass ich dem Schreiben wieder beistehe. Und zwar auf diesem Blog.
Denn am Ende sind es die Momente wie am Flughafen, wenn alles andere um mich herum verschwimmt, weil für mich nur einzig und allein diese eine Sache zählt:
Zu schreiben.
Es sind Momente wie dieser hier, in dem ich in der Werkstatt auf mein Auto warte und diesen Text überarbeite.
Weil ich mich gerade nicht mal eine halbe Stunde lang von meinem Schreiben trennen will.
Weil es sich gestern Abend zu sehr nach Magie und Romantik angefühlt hat, als ich den ersten Entwurf dieses Textes schrieb und der Himmel vor meinem Fenster in ein tiefes, dunkles blau getaucht wurde, von pinken Fäden durchzogen.
Vielleicht können wir manchmal erst erkennen,
was wirklich von Bedeutung ist, wenn alles andere zerbricht.
Vielleicht können wir manchmal erst erkennen, was wirklich von Bedeutung ist, wenn alles andere zerbricht.
Denn Bedeutung können wir nicht erzwingen.
Das einzige, was wir tun können, ist, uns komplett hinzugeben, das Leben wirken zu lassen.
Einfach alle Momente anzunehmen. Die schönen und die schmerzhaften und die langweiligen und die großen – und darin Bedeutung zu erkennen.
Komisch, oder? Das ist dieselbe Erkenntnis, mit der ich im Oktober Griechenland verlassen habe.
So schließt sich der Kreis.
DANKE, dass du mitliest und mir damit ein Stückchen mehr Bedeutung schenkst. 🤍
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Was schenkt dir Bedetung? Schreib’s mir in die Kommentare 💕
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