An neue Orte zu reisen ist immer eine gute Idee, um mit frischer Inspiration ins Schreiben zu finden. Am Meer, in den Bergen oder inmitten hipper City-Cafés fliegen uns neue Ideen wie aus dem Nichts zu. Inhaltliche Knoten, um die wir monatelang einen großen Bogen gemacht haben (ja, Kapitel Drei, du bist gemeint), lösen sich.
Der Roman schreibt sich wie von selbst.
Zugegeben, dieser Plan ist zu Anfang meiner letzten Schreibreise grandios gescheitert. (Hier kannst du lesen, was genau meine Schreibpläne durchkreuzt hat). Dafür gab es jedoch auf Mitte der Handlung einen Plot Twist – und drei mal dürft ihr raten, wie der aussah:
Richtig. Ich habe geschrieben.
Gerade, als ich mich damit abgefunden hatte, auf meiner geplanten Schreibreise kein aktives Schreiben zu betreiben, kam der Musenkuss. Und der war so groß und schmatzig, dass ich den zweiten Teil meiner Reise überwiegend auf Balkonen und in Cafés am Strand bei salziger Luft und Espresso damit verbracht habe, auf meinen Laptop einzutippen.
Damit habe ich unerwartet irgendwie doch noch den ursprünglichen Sinn meiner Reise erfüllt.
Während ich jetzt mit Blick in den wieder sonnenlosen Himmel und einer ordentlichen Portion deutscher Landluft in der Nase die letzten Wochen reflektiere, wird mir klar, dass das wohl die erste und wichtigste Erkenntnis ist, die sich gleichermaßen auf das Reisen und das Schreiben übertragen lässt:
1. Es kommt immer anders, als man denkt.
Nennt sich Leben.
AutorInnen kennen das, wenn die Figuren trotz sorgfältig ausgefeiltem Plot tun und lassen, was sie wollen.
Eltern kennen das aus dem Alltag.
Andere aus dem Job, der Liebe…
Sobald wir anfangen, das Unerwartete mit einzuplanen, kommt es wieder ganz anders als geplant. Das Beste, was wir tun können, ist zu vertrauen, und Schritt für Schritt weiterzumachen. Auch ohne Plan – wer auch immer sich diesen Teil der Geschichte für uns ausgedacht hat, wird es schon gut mit uns meinen.
Und auch, wenn damit vielleicht alles gesagt ist, meinem Schriftstellerherzen das aber noch lange nicht reicht, sind hier neun weitere Erkenntnisse:
2. Manchmal müssen wir selbst erst wirklich leben, bevor wir anderen Geschichten Leben einhauchen können.
…und nichts schreit so sehr „Leben“, wie sich den Espresso mit Menschen zu teilen, deren Sprache wir nicht sprechen, bei Lagerfeuer alten Geschichten zu lauschen, nachts im Oktober im eiskalten Meer baden zu gehen und, natürlich, sich Hals über Kopf in eine neue Romanze zu werfen.
3. Hotellobbies sind völlig unterbewertet.
Komfortable Sessel, erfrischende Drinks, fremde Sprachen und grandiose Ausblicke – in jeder Hinsicht.
Muss ich dazu wirklich noch mehr sagen?
4. Long Distance Romanzen sind im echten Leben weit weniger romantisch als in Geschichten.
Nope, es ist wirklich NICHTS romantisch daran, mitten in der Nacht allein aufzuwachen und mathematische Gleichungen im Kopf aufstellen zu müssen, weil du unbedingt herausfinden willst, ob es dank Zeitunterschied auf der anderen Seite des Atlantik zu früh für steamy Nachrichten oder zu spät für Herzausschüttungen per Voicemail ist.
5. Das echte Leben ist ohne Handy und Social Media soooo viel schöner.
Stell dir das mal vor: Kein Druck, alles ständig auf Kamera festhalten zu müssen. Einfach nur im Moment sein, das Leben aufsaugen… Viieeel schöner. Und auch ein bisschen unmöglich. Vor allem dann, wenn man eine Fern-Romanze am Leben erhalten will. Oder eine moderne, in der heutigen Zeit angesetzte Geschichte schreiben will.
Choose your battle, right?!
6. Wer mutig ist, wird belohnt. Immer.
Es muss ja nicht gleich der Bungeejump sein, nur weil Marc und Eliza davon so coole Bilder aus Neuseeland geschickt haben.
Manchmal reicht schon ein bisschen Mut dazu, sich allein in eine Bar zu setzen. Oder fremde Menschen zu fragen, wie ihr Tag war. Ich kenne kein einziges Buch oder Film, in dem die Protagonisten ihr Zeil erreicht (oder etwas noch besseres bekommen) haben, ohne erst über ihre eigenen Schatten springen zu müssen. Es sind immer die Mutigen, die gewinnen.
7. Es gibt keine zufälligen Begegnungen.
Jede Begegnung ist für uns, weil wir immer etwas Neues lernen.
Aus den guten und aus den schlechten.
Genau wie im Roman, wo selbst das vermeintlich unscheinbarste Aufeinandertreffen der Figuren ganz sorgfältig von der Autorin / dem Autoren geplottet wurde. Weil Schriftsteller verstanden haben, dass jede Begegnung mit anderen dazu dient, der Hauptfigur etwas über sich selbst zu lehren. Oder um die Handlung voranzutreiben.
Bleibt nur die Frage, wer unsere Begegnungen im echten Leben plottet – und wo wir Wünsche einreichen können?
8. Egal, wie weit wir reisen, uns selbst nehmen wir mit all unseren Problemen immer mit.
Kein Ort der Welt kann uns auf magische Weise alle Sorgen und Ängste nehmen, die wir im Gepäck haben. Aber immerhin haben wir unsere Sorgen so an einem viel schöneren Ort.
9. …doch um neue Erfahrungen zu machen, müssen wir manchmal einfach loslassen, was bisher war.
Der Klassiker: die alte Geschichte löschen, um eine Neue zu schreiben.
Das lasse ich einfach mal so stehen.
10. Es sind immer die letzten Nächte, die den Dingen eine besondere Magie verleihen.
Immer. die. verdammten. letzten. Nächte.
Diese Liste könnte noch endlos so fortgeführt und bearbeitet werden. Doch egal, welcher Ort und welche Erfahrungen, die Moral ist am Ende, wie in jeder guten Geschichte, immer dieselbe: Wir kommen nie als dieselbe Person zurück, als die wir losgezogen sind.
Wir kommen mit einem Koffer voll Leben, Erinnerungen und neuen Werten zurück.
Und mit ein bisschen Glück können wir andere daran teilhaben lassen.
Eine Antwort auf „10 Erkenntnisse vom Reisen, die beim Schreiben helfen“
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